Stichwort: Frühe Nutzenbewertung/Zusatznutzen


Das Verfahren zur frühen Nutzenbewertung

Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG)

Am 1. Januar 2011 ist das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) in Kraft getreten. Sein Ziel ist es, die steigenden Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen einzudämmen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat nun die gesetzliche Aufgabe, für alle neu zugelassenen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen sofort nach Markteintritt eine (Zusatz-)Nutzenbewertung durchzuführen (§ 35a SGB V).

Deren Ergebnis ist die Entscheidungsgrundlage dafür, wie viel die gesetzliche Krankenversicherung für ein neues Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff zahlt. Es geht also nicht um einen Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit, der muss zuvor für die Zulassung erbracht werden.

Für Arzneimittel ohne Zusatznutzen wird ein Festbetrag festgesetzt. Ist dies nicht möglich, weil es keine weiteren pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Arzneimittel gibt, vereinbart der*die Hersteller*in mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einen Erstattungsbetrag, der zu keinen höheren Kosten gegenüber der Vergleichstherapie führen darf. Für Arzneimittel mit Zusatznutzen werden die Preise auf Basis der Bewertung des Zusatznutzens ausgehandelt. Mit dieser Neuregelung sollen rund 2 Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden.

Verfahrensablauf der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen

Die Hersteller*innen müssen seit dem Jahre 2011 für alle Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, spätestens bei der Markteinführung Nachweise über den Zusatznutzen für die Patient*innen vorlegen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) kann mit der Nutzenbewertung das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder Dritte beauftragen. Nach der Veröffentlichung von Hersteller*innen-Dossier und Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch, das ergänzende Informationen liefern und in der Folge zu einer veränderten Nutzenbewertung führen kann. Der G-BA entscheidet anschließend, ob und welchen Zusatznutzen ein neues Arzneimittel hat. Eine grafische Übersicht des Verfahrensablaufs der frühen Nutzenbewertung finden Sie hier.

Erstes bewertetes Arzneimittel für CED: Vedolizumab

IQWiG: "Zusatznutzen von Vedolizumab ist nicht belegt"

Vedolizumab (Handelsname Entyvio®) ist seit Mai 2014 für Patient*innen zugelassen, die an einer mittelschweren bis schweren Form von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa erkrankt sind. Das IQWiG hat mit einer frühen Nutzenbewertung gemäß AMNOG überprüft, ob der Wirkstoff bei diesen Patient*innengruppen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie einen Zusatznutzen bietet.

Ein solcher Zusatznutzen ist danach für das IQWiG nicht belegt, da das von der*dem Hersteller*in vorgelegte Dossier für keines der beiden Anwendungsgebiete geeignete Daten enthält.

Der*die Hersteller*in legte keine geeigneten Daten vor

Als zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für beide Anwendungsgebiete jeweils einen TNF-a-Antagonisten (Adalimumab oder Infliximab).

Mittelschwerer bis schwerer Morbus Crohn

Für Patient*innen, die an einem mittelschweren bis schweren Morbus Crohn erkrankt sind, gibt der*die Hersteller*in in seinem Dossier keine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) an, die Vedolizumab mit Adalimumab direkt vergleicht oder einen indirekten Vergleich auf Basis von solchen Studien durchführt. Daher ist ein Zusatznutzen von Vedolizumab für das Anwendungsgebiet Morbus Crohn nicht belegt.

Mittelschwere bis schwere Colitis ulcerosa

Auch zum Anwendungsgebiet mittelschwere bis schwere Colitis ulcerosa enthält das Dossier keine direkt vergleichende Studie, hier aber einen „adjustierten indirekten Vergleich“ über einen indirekten Vergleich der beiden Wirkstoffe gegenüber Placebo. Damit ist es prinzipiell möglich, einen Zusatznutzen zu belegen. Allerdings sind zwei Punkte nicht erfüllt: Die Teilnehmer*innen der Vedolizumab- und Adalimumab-Studien sind nicht ausreichend ähnlich. Das liegt vor allem daran, dass sich das Design dieser Studien unterscheidet. Und: Die unerwünschten Ereignisse in der Vedolizumab-Studie wurden nicht angemessen analysiert. Deshalb ist ein Zusatznutzen von Vedolizumab im Vergleich zu Adalimumab auch für Patient*innen mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa nicht belegt.

„Patient*innen können von Vedolizumab profitieren“

Der Hersteller relativiert: die Entscheidung des IQWiG war aufgrund der Anlage der Nutzenbewertung zu erwarten: Das heutzutage geforderte Studiendesign entspricht nicht dem, was in der Konzeptionsphase des Studienprogramms mit europäischen und amerikanischen Behörden vereinbart war. Die Zulassungsstudien, welche nun auch die Grundlage für die Nutzenbewertung bilden, wurden lange vor dem AMNOG im Zeitraum 2006 bis 2008 in den USA geplant. Dabei wurde in erster Linie den Anforderungen der Regulierungsbehörden – Food and Drug Administration (FDA) und European Medicines Agency (EMA) – entsprochen, die in Studien nur den Vergleich des Wirkstoffs gegenüber Placebo verlangen. Und: Adjustierte indirekte Vergleiche wurden vom IQWiG bisher stets wegen methodischer Aspekte abgelehnt.

Entscheidung des G-BA

Der G-BA hat am 8. Januar 2015 einen Beschluss über den Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie (ein TNF-alpha-Antagonist, in diesem Fall (s.o.) Adalimumab) gefasst:

Ein Zusatznutzen ist nicht belegtfür Patient*innen mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa bzw. mit mittelschwerem bis schwerem aktivem Morbus Crohn, die auf konventionelle Therapie unzureichend angesprochen haben, nicht mehr darauf ansprechen oder eine Unverträglichkeit gegen eine entsprechende Behandlung aufweisen bzw. die auf einen der Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha)-Antagonisten unzureichend angesprochen haben, nicht mehr darauf ansprechen oder eine Unverträglichkeit gegen eine entsprechende Behandlung aufweisen.

Nochmal: Es geht nicht um einen Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit, der bereits für die Zulassung erbracht werden musste. Das Ergebnis ist die Entscheidungsgrundlage dafür, wieviel die gesetzliche Krankenversicherung für ein neues Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff zahlt.

(Stand: 08.01.2015)

Quellen:


Zusatznutzen von Teduglutid bei Kurzdarmsyndrom

Auch das seit 30. August 2012 zur Behandlung des Kurzdarmsyndroms in der Europäischen Union (EU) zugelassene Teduglutid (Revestive® ?) musste sich 2014 der Nutzenbewertung stellen.

"Gemäß § 35a Abs. 1 Satz 10 SGB V gilt für sogenannte Orphan Drugs der medizinische Zusatznutzen durch die Zulassung als belegt. Das IQWiG bewertet daher mit Auftrag des G-BA für Teduglutid ausschließlich die Angaben zu den Patientenzahlen und den Kosten im Dossier des pharmazeutischen Unternehmers." (IQWiG)

Nach Abschluss der Bewertung durch das IQWiG hat der G-BA im Dezember 2014 ein schriftliches Stellungnahmeverfahren durchgeführt, im Anschluss an die Anhörung (vom 12. Januar 2015) erfolgte am 19. Februar 2015 die Beschlussfassung über das Ausmaß des Zusatznutzens durch den G-BA.

Das Ergebnis: "Für erwachsene Patienten mit Kurzdarmsyndrom liegt ein geringer Zusatznutzen vor."

Weitere Informationen wie die Tragenden Gründe des Beschluss' der G-BA und die Bewertung der Therapiekosten und Patient*innenzahlen des IQWiG finden Sie auf der entsprechenden Internetseite des G-BA.

Teduglutid wird zur Behandlung von Erwachsenen mit Kurzdarmsyndrom angewendet. Beim Kurzdarmsyndrom handelt es sich um ein Leiden, bei dem Nährstoffe und Flüssigkeiten nicht richtig vom Darm aufgenommen werden, typischerweise nach der operativen Entfernung eines großen Teils des Dünndarms. Da es nur wenige Patienten mit Kurzdarmsyndrom gibt (Betroffene in der EU laut Zuerkennung des „Orphanstatus“: 17.500), gilt die Krankheit als selten, und Revestive wurde am 11. Dezember 2001 als Arzneimittel für seltene Krankheiten (Orphan Drug) ausgewiesen. Das Arzneimittel ist nur auf ärztliche Verschreibung erhältlich.

Quellen:


Erstellt: 20.10.2014 Letzte Änderung: 20.03.2021

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