Weiteres zur Antikörperbildung und dritten Impfung bei CED
(Stand 24.06.2021)
Was wir bisher über die Antikörperbildung bei CED wissen:
Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) gehören zu den immunvermittelten entzündlichen Erkrankungen. Menschen mit einer solchen „IMID“ (immune-mediated inflammatory diseases) und Menschen unter immunsuppressiver Therapie waren bei den Zulassungsstudien der zurzeit verfügbaren COVID-Impfstoffe nicht eingeschlossen. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) weist bei der Information der Impfstoffe darauf hin: „Zu immungeschwächten Personen (Personen mit geschwächtem Immunsystem) liegen keine Daten vor. Wenngleich Personen mit geschwächtem Immunsystem möglicherweise nicht so gut auf den Impfstoff ansprechen, bestehen keine besonderen Sicherheitsbedenken. Immungeschwächte Personen können trotzdem geimpft werden.“
Nun liegen erste Daten dazu vor, wie gut die Impfstoffe bei Personen mit geschwächtem Immunsystem wirken. In einer Studie am Deutschen Zentrum für Immuntherapie in Erlangen wurde untersucht, ob die Impfung gegen das Coronavirus bei Menschen mit IMID die beabsichtigte Antikörperbildung gegen das Virus auslöst. Von Dezember 2020 bis März 2021 wurden bei 84 Menschen mit einer IMID und 182 Menschen ohne eine solche Erkrankung (gesunde Kontrollpersonen) die Antikörper nach der Impfung mit BionTech/Pfizer bestimmt. In der Gruppe waren auch 8 Menschen mit CED eingeschlossen. Keine der Personen in der Studie hatte bereits eine COVID-19-Erkrankungen durchgemacht. Alle bis auf eine Kontrollperson und die meisten der Personen mit einer IMID zeigten auf die Impfung eine Immunantwort. Nur bei 3 von 84 Personen mit IMID konnte auch am 39. Tag nach der zweiten Impfung keine Immunantwort mit Antikörperbildung nachgewiesen werden. Bei der Kontrollgruppe zeigte 1 der 182 Kontrollpersonen keine Immunantwort. Die Antikörper der Testpersonen wurden daraufhin untersucht, ob sie das Coronavirus umhüllen und unschädlich machen können. Bei 76 der 84 Menschen mit IMID waren die Antikörper dazu in der Lage, bei den Kontrollpersonen waren es 181 der 182 Menschen. Unabhängig von der Erkrankung und der Behandlung war die Antikörperbildung bei Menschen mit IMID im Vergleich zu den Kontrollpersonen also etwas schlechter, aber bei den meisten konnte eine Immunreaktion nachgewiesen werden. Bei allen IMID-Betroffenen konnte außerdem eine gute Verträglichkeit der Impfung nachgewiesen werden.
In einer früheren Studie an der Universität Kiel mit 26 Personen mit IMID im Vergleich zu 42 gesunden Kontrollpersonen entwickelten hingegen alle 26 Personen (3 davon mit einem Morbus Crohn) eine Antiköperantwort nach einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff (Biontech/Pfizer).
Neben den Antikörpern bildet das Immunsystem nach dem Kontakt mit dem Impfstoff – dem Hüllenteilstück des Coronavirus – aber auch sogenannte Gedächtniszellen. Diese Immunzellen bleiben im Körper und können das Coronavirus beim Eindringen in den Körper sehr schnell erkennen und sofort mit Abwehrmaßnahmen reagieren. In dieser Studie wurde nicht untersucht, ob Menschen mit IMID diese Gedächtniszellen bilden (die sogenannte zelluläre Immunantwort – im Vergleich zu den Antikörpern, die als humoralen (humoral= die Körpersäfte betreffend) Immunantwort bezeichnet werden). Zur zellulären Immunantwort, welche ein wesentlicher Bestandteil des Impfschutzes ist, werden zurzeit weitere Studien durchgeführt.
In der aktuellen Studie konnte nicht gezeigt werden, ob und welche Arzneimitteltherapien für die entzündlichen Erkrankungen möglicherweise für die reduzierte Immunantwort verantwortlich sind. 24 Menschen aus der IMID-Gruppe mit insgesamt 84 IMID-Betroffenen in Erlangen erhielten zum Zeitpunkt der Impfung keine immunmodulatorische Therapie. Von diesen hatten einige ebenfalls eine geringere Immunantwort auf die Impfung, sodass die Forscher*innen daraus schließen: Auch die entzündlichen Grunderkrankungen selbst können die Immunantwort auf die Impfung beeinflussen.
Fazit der Forscher*innen aus der aktuellen Untersuchung:
- Menschen mit immunvermittelten entzündlichen Erkrankungen zeigen grundsätzlich eine Immunreaktion auf eine SARS-CoV-2-Impfung, diese kann aber möglicherweise verzögert und reduziert stattfinden.
- Die Erkrankung selber kann eine Auswirkung auf die Impfung haben, unabhängig von der Therapie. Somit gibt es keine Notwendigkeit, die Einnahme der immunmodulatorischen Therapien zum Impftermin zu pausieren.
- Bei einigen Menschen mit immunvermittelten entzündlichen Erkrankungen ist es sinnvoll, den Antikörpertiter nach der Impfung zu bestimmen – genaue Angaben, nach welchen Kriterien das erfolgen könnte, werden in dem Artikel aber nicht gemacht.
Ob in Einzelfällen mehr als zwei Impfungen für Menschen mit IMID sinnvoll sind, um die Immunantwort weiter zu steigern, wurde im Rahmen dieser Studie nicht angesprochen. Hierzu liegen leider noch keine aussagekräftigen Studien vor.
Quellen:
- Simon D, et al. SARS-CoV-2 vaccination responses in untreated, conventionally treated and anticytokine-treated patients with immune-mediated inflammatory diseases et al. Ann Rheum Dis 2021;0:1–5. doi:10.1136/annrheumdis-2021-220461
- Geisen UM, et al. Immunogenicity and safety of anti-SARS-CoV-2 mRNA vaccines in patients with chronic inflammatory conditions and immunosuppressive therapy in a monocentric cohort. Ann Rheum Dis 2021;0:1–6. doi:10.1136/annrheumdis-2021-22027
CS, 18.05.2021
Wir danken Prof. Raja Atreya (Universität Erlangen) für die Zusammenarbeit bei dieser Studienzusammenfassung.
Benötigen CED-Betroffene eine dritte Impfung gegen das Coronavirus?
Eine sich daran anschließende Frage ist: Müssten Menschen mit IMID (Erklärung siehe oben) und/oder unter immununterdrückender Therapie häufiger geimpft werden – also mehr als zwei Mal – um eine stärkere Immunantwort zu erhalten?
Erste Studie zur dritten Impfdosis gegen Sars-CoV-2
Zu dieser Fragestellung haben Forscher*innen der Johns Hopkins University School of Medicine in den USA die Impfantwort bei 30 Menschen mit einem transplantierten Organ untersucht und diese ersten Ergebnisse in einem kurzen Schreiben an die Fachzeitschrift „Annals of Internal Medicine“ zusammengefasst.
Die Ergebnisse aus dieser ersten kleinen Untersuchung (einer Fallserie ohne Vergleichsgruppe) können allerdings nur bedingt auf Menschen mit CED übertragen werden, da andere Voraussetzungen vorliegen. Zum einen war dies eine Gruppe Organtransplantierter, das heißt, die Impfantwort wurde nicht bei Menschen mit chronisch entzündlicher Erkrankungen untersucht, bei denen möglichweise schon die Grunderkrankung Einfluss auf die Impfantwort haben kann. Zum anderen gehen Organtransplantationen meist mit höheren Dosen bei den Immunsuppressiva einher. Des Weiteren untersuchten die Forschenden eine Gruppe von Personen, die teilweise mehrere Wirkstoffe zur Immunsuppression einnahmen, um die Organabstoßung (unterschiedliche Transplante: Herz, Niere, Lunge, Pankreas) zu verhindern.
Was in der Studie gezeigt werden konnte war, dass bei einigen Personen, die nach der zweiten Impfung eine niedrige Antikörperbildung hatten, eine dritte Impfdosis möglicherweise diese Antikörperbildung erhöht. Eine Aussage zum erhöhten Schutz der COVID-19-Impfung durch eine dritte Dosis kann aus diesen ersten Daten aber nicht abgeleitet werden.
Die Antikörpertiter wurden nach der zweiten Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gegen COVID-19 (Pfizer/BioNTech oder Moderna) bestimmt. Bei 24 der 30 Personen konnten nach der zweiten Impfung keine Antikörper gemessen werden, bei 6 wenige Antikörper (niedriger Titer). Alle 30 Personen erhielten eine Drittimpfung, die entweder mit einem mRNA-Impfstoff (BioNTech/Pfizer oder Moderna) oder einem Vektorimpfstoff (Janssen) vorgenommen wurde.
14 Tage nach der dritten Impfung wurde die Antikörperbildung erneut getestet und folgendermaßen ausgewertet: Die 6 organtransplantierten Personen mit niedrigem Titer hatten nach der Impfung hohe Antikörpertiter (wobei es hier bei den einzelnen konkreten Werten Schwankungen gab). Von den 24 Personen, die zunächst keine messbaren Antikörpertiter hatten, hatten 6 nach der dritten Impfdosis hohe Antikörpertiter, 2 niedrige und 16 nach wie vor keine messbaren Antikörpertiter. Dabei ist zu beachten, dass die in der Studie erwähnten Schwellenwerte der Antikörpertiter keine Aussage zum Immunschutz erlauben. Zum jetzigen Zeitpunkt (Juli 2021) gibt es noch keine Daten, die Aussagen über den konkreten Antikörperwert erlauben, der einen verlässlichen Schutz vor SARS-CoV-2 ermöglicht (siehe weiter unten).
Die Forschungsgruppe hatte in dieser Untersuchung nicht nach neutralisierenden Antikörpern (also Antikörpern, die das Coronavirus umschließen und damit unschädlich machen können) geschaut. Auch die Bildung von Gedächtniszellen (Erklärung siehe oben) nach der Impfung wurde nicht untersucht. Gemessen wurden Antikörper gegen das Hüllenprotein des Coronavirus (Spike-Protein), ohne mit einem sehr aufwendigen Test zusätzlich zu prüfen, ob diese auch wirklich gut Coronaviren unschädlich machen können (neutralisieren).
Fazit aus dieser ersten Studie ist, dass einige Menschen unter Immunsuppression, die eine dritte Dosis eines COVID-19-Impfstoffs erhalten, einen höheren Antikörperwert erreichen, einige aber auch nicht.
Was diese Studie erst einmal nicht zeigen konnte war:
- wer konkret von einer dritten Impfdosis profitiert und aus welchen Gründen.
- ob die erhöhten Antikörperwerte auch einen höheren Schutz vor einer COVID-19-Erkrankung bieten.
Die Forschenden sagen hierzu, dass noch weitere Studien notwendig sind.
Quelle: Werbel W. et al. (2021). Safety and Immunogenicity of a Third Dose of SARS-CoV-2 Vaccine in Solid Organ Transplant Recipients: A Case Series. Annals of Internal Medicine. https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/L21-0282, Zugriff: 23.06.2021
Info: Antikörperbestimmung nach COVID-19-Impfung
Eine Antikörperbestimmung nach einer COVID-19-Impfung wird zum jetzigen Zeitpunkt von Robert-Koch Institut nicht empfohlen. Hierzu ein paar Gründe, warum die Antikörperbestimmung zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagekraft zum Schutz/Immunität gegen das Coronavirus erlaubt:
- Jedes Labor nimmt unterschiedliche serologische Tests zur Bestimmung der Antikörper mit unterschiedlichen Schwellen-Werten (Cut-Offs). Die Tests sind also nicht vergleichbar und Angaben wie „wenige Antikörper“ sind zurzeit nicht möglich, weil es keinen Wert gibt, mit dem der Messwert eingeordnet werden kann. Die für die Tests angenommenen Werte werden von den Herstellern festgelegt. Diese beziehen sich aber nicht auf die Bildung eines Schutzes durch die Menge der Antikörper.
- Um neutralisierende Antikörper zu bestimmen, braucht man spezielle Hochsicherheitslaboren (Sicherheitsstufe 3), die mit vermehrungsfähigen Viren arbeiten dürfen. Diese Labore sind nur in wenigen Universitäten eingerichtet. Nun gibt es die Möglichkeit eines Surrogat-Neutralisationstest. Er misst nicht die Fähigkeit der Antikörper, Viren vom Befallen von der Zellen in einer Kultur „im Reagenzglas“ abzuhalten. Das ist was ein relativ aufwendiges Verfahren ist, das die Verwendung lebender Viren in einem Hochsicherheitslabor beinhaltet. Bei dem Surrogat-Test wird gemessen, ob die Antikörper an die ACE-Rezeptoren binden. Die ACE-Rezeptoren sind die Andockstellen der Zellen, die die Coronaviren nutzen, um ihre Erbinformation in die Zelle im Körper einzubringen. Diese ACE-Rezeptoren kann man – wie Nägel auf einem Nagelbrett – auf einer Platte „anbringen“ und dann schauen, ob die Antikörper sich an diesen festsetzen oder nicht., (Quelle: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122393/SARS-CoV-2-Antikoerper-koennten-ueber-viele-Jahre-schuetzen-(oder-nur-wenige-Tage), Zugriff 23.06.2021).
- Leider ist unbekannt, ab welchem Antikörper-Wert man davon ausgehen kann, dass eine Person immun gegen SARS-CoV2 ist oder ob man diesen Antikörperwert überhaupt festlegen kann. Deshalb wird die Messung der Antikörper generell nicht empfohlen. Außerdem besteht die Schutzwirkung der Impfung nicht nur aus den gebildeten Antikörpern, sondern auch ob das Immunsystem Gedächtniszellen ausbildet (T-Gedächtniszellen, B-Gedächtniszellen).