Wie werden Leitlinien entwickelt?
In der Regel berufen die Fachgesellschaften zu den Erkrankungen, für die Leitlinien erstellt werden sollen, Expert*innen zu so genannten Konsensuskonferenzen. Oft werden thematische Arbeitsgruppen gebildet. In diesen Gruppen werden wissenschaftliche Veröffentlichungen bewertet (Evidenz) und in der Praxis gewonnene Erfahrungen diskutiert. Auf dieser Basis werden mögliche Handlungsempfehlungen für die Diagnostik und Therapie formuliert. Die Zustimmung (Konsensus) zu diesen potentiellen Empfehlungen wird gemessen und so der Grad der Konsensusstärke ermittelt.
Klassifikation der Konsensusstärke
Starker Konsens | Zustimmung von > 95% der Teilnehmer*innen |
Konsens | Zustimmung von 76-95 % der Teilnehmer*innen |
Mehrheitliche Zustimmung | Zustimmung von 51-75% der Teilnehmer*innen |
Kein Konsens | Zustimmung von < 50 % der Teilnehmer*innen |
Im Rahmen der Leitlinie gilt dann eine Diagnose- oder Therapiemethode als umso empfehlenswerter, je höher die zugrunde liegenden Evidenz- und Konsensusstärken sind.
Nationale Leitlinien
In Deutschland wird die Entwicklung und Überarbeitung von Leitlinien zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen durch die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) organisiert. Andere medizinische Fachgesellschaften sind an der Erarbeitung beteiligt: die der Viszeralchirurg*innen (DGAV), Koloproktolog*innen (DGK), Röntgenärzt*innen (DRG) und pädiatrischen Gastroenterologenie und Ernährung (GPGE) sowie das Kompetenznetz CED.
An der Erstellung der Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn bzw. der Colitis ulcerosa wirken neben Fachärzt*innen auch Mitglieder der DCCV mit, um die Sichtweise von Betroffenen einzubringen und darauf zu achten, dass Patient*innenbelange ausreichend berücksichtigt werden. Zu diesen Leitlinien hat die DCCV jeweils auch eine patient*innenverständliche Version veröffentlicht.
Die DGVS erstellt neben den Leitlinien zu CED auch andere gastroenterologische Leitlinien, die teilweise ebenfalls für die Behandlung von CED-Betroffenen von Bedeutung sind, etwa die Leitlinie zur „Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie“, zu der ebenfalls eine Patient*innenleitlinie herausgekommen ist.
Europäische Leitlinien
Auf Studienergebnisse gestützte (evidenzbasierte) Leitlinien gibt es also auf nationaler Ebene schon seit längerem. Im Jahr 2004 hat die europäische Ärzt*innenvereinigung ECCO (Europäische Crohn und Colitis Organisation) namhafte europäische Expert*innen zusammengebracht, um eine gemeinsame europäische Leitlinie zur Behandlung des Morbus Crohn zu entwickeln. Inzwischen sind auch Leitlinien zu anderen, speziellen Themen erschienen.
Ein Wermutstropfen: Im Gegensatz zu den deutschen Leitlinien spielt die Patient*innenbeteiligung bei der Erstellung der ECCO-Leitlinien fast keine Rolle. Gleichwohl berücksichtigen die nachfolgenden nationalen Leitlinien die jeweiligen ECCO-Leitlinien.
2009 sind auch erstmals, von der entsprechenden europäischen Fachgesellschaft (EASL) herausgegeben, Leitlinien zur PSC erschienen.